2-Tages-Velofahrt von Saanenmöser/Zweisimmen nach Lausanne

3. – 4. August 2018

Am Samstag, 4. August 2018, etwas nach 1700 Uhr, sassen 24 Velofahrer (18 MRB und 6 Gäste) müde, zufrieden und voller guter Eindrücke im Car von Lausanne nach Zürich und genossen das kühle, vom Organisator, Köbi Gehring, offerierte Bier. Keiner von uns konnte erahnen, welche Tragödie sich einige Minuten zuvor oberhalb Flims/GR ereignet hatte. Dunkle, schwere Wolken schieben sich nun zwischen die sonnigen Erinnerungen und der traurigen Wirklichkeit. Und dennoch gilt es, diese zwei Tage nochmals in ein paar Zeilen und Fotos Revue passieren zu lassen; Peter hätte es nicht anders gewollt.

In seinem Programm schrieb Köbi Gehring "Ich wünsche euch eine tolle und unfallfreie Fahrt in eine der schönsten Gegenden der Schweiz". Beides ist eingetroffen, auch wenn der Heinz einmal von seinem Bike mit den grossen Rädern auf der abschüssigen Strasse auf der falschen Seite absteigen wollte und plötzlich zu kurze Beine hatte und zu Fall kam. Glücklicherweise tat er sich nicht weh und von da an zierte ein kaputtes Kunststoffschutzblech bis zu dessen fachgerechten Entsorgung seinen Rucksack.

Nach der Besammlung am Samstagmorgen beim Güterbahnhof und Einladen der Velos in den Anhänger fuhr uns der Chauffeur der Fa. "Moser Reisen", Flaach, via Kaffeehalt in Münsingen – Kaffee und Gipfeli offeriert durch Pius Studer :-) - nach Mannried, nahe Zweisimmen, wo die sieben "Gümmeler" unter der Leitung von Raini Wuhrmann die ersten Höhenmeter in Angriff nahmen. Wir 17 Tourenfahrer unter der Führung von Köbi Gehring fuhren mit dem Car weiter hinauf nach Saanenmöser. Dort galt es dann auch für uns ernst und eine herrliche, auf immer fast verkehrsfreien Wegen Strecke führte uns via Schönried, Gstaad, Saanen nach Rougement zum Mittagessen. Trotz sehr warmen Temperaturen und einigen kurzen, giftigen Aufsteigen genossen wir die herrliche Landschaft.

Kurz vor Zweisimmen wurde angehalten und die Velos meiner Gümmeler-Gruppe ausgeladen. Noch ein Gruppenfoto und schon ging's los Richtung Aufstieg auf den Saanenmöser. Die Rotlichter an den zwei Baustellen boten willkommene Verschnaufpausen, denn die bereits hohen Temperaturen drückten einige Schweisstropfen auf die Stirn. Umso mehr genossen wir den Fahrtwind auf der rasanten Abfahrt nach Gstaad. Bald darauf erreichten wir Rougemont und warteten bei einem kühlen Bier auf die Gruppe Köbi.

Im "Hôtel de Commune" konnten beiden Gruppen den Durst löschen und sich für den Nachmittag stärken. Auch trotz der warmen Temperaturen im Lokal war's drinnen immer noch besser draussen in der Hitze...
Wohlgenährt und gut befeuchtet ging es für uns Tourenfahrer auf der Veloroute Nr. 9 via Château-d'OEx, Les Moulins, Grandvillard mit Kaffeehalt zum Tagesziel nach Bulle. In der prachtvollen Gegend um Gruyère galt es noch ein paar ruppige Steigungen zu bewältigen. Das nahe Ziel lockte stark und so mobilisierten einige in der Hitze die letzten Reserven. Nach 54 km mit 600 Höhenmeter erreichten wir das Tagesziel Bulle und deponierten die Velos im Hof des Hotels.

Am Nachmittag ging es auf verkehrsarmen Nebenstrassen der Sarine entlang. Der in einer ruppigen Abfahrt eingefangene Plattfuss wurde mit professionell ausgeführtem Schlauchwechsel behoben. An einer mit allgemeinem Fahrverbot signalisierten Baustelle versuchten einige mit rudimentären Französischkenntnissen in Erfahrung zu bringen, ob man mit dem Velo passieren könne. Entgegenkommende Velofahrer erklärten auf Deutsch, dass es ziemlich mühsam sei. So fuhren wir auf der Hauptstrasse weiter. Nach dem Boxenstopp in Grandvillard führte ich meine Gümmeler noch auf eine Zusatzschlaufe um den unteren Teil des Lac de la Gruyère zum Tagesziel in Bulle. (67km/1200Hm)

Schnell waren die Zimmer verteilt, wobei die einen etwas mehr Glück hatten und auf der Schattenseite kühlere, ruhigere Zimmer beziehen konnten. Nach der Ankunft und dem Deponieren des Gepäcks im Zimmer, empfanden die anderen die Zimmertemperatur auf der sonnigen, dem Bahnhof und Strassenverkehr zugewandten Seite noch als angenehm. Nach dem feinen Bier und dem Abkühlen des Körpers wurde es beim zweiten Betreten des Zimmer schon etwas deutlich wärmer empfunden...
Also schnell den Koffer ausgepackt, geduscht und raus dem Zimmer in die schattige Gartenwirtschaft, von wo das besondere, uns unbekannte Programm gestartet wurde. Köbi führte uns an der bronzenen, mächtigen und im Verkehrskreisel beim Bahnhof stehenden Skulptur (1996) des Tessiner Künstlers Nag Arnoldi vorbei, welche das Wappentier von Bulle – wusste bis dahin nicht, dass Bulle auf Französisch le bulle heisst – darstellt. Es ging Richtung Schloss und das Mittragen einer Kühlbox durch Erwin löste freudige Erwartungen aus. Tatsächlich gab es im schattigen Schlosshof einen feinen Weissen aus dem Lavaux zu geniessen. Dies aber erst nachdem die steilen Holztreppen auf den Turm bewältigt worden waren. Oben bot sich ein wunderbarer Ausblick auf das Greyerzerland.
Wieder unten angekommen genossen wir den kühlen Weisswein und mancher dankte Köbi Gehring beim Anstossen für das Organisieren dieser Reise und die wunderbare Idee des Apéros im Schloss, welches die Bischöfe von Lausanne und Herren von Bulle ab dem Jahre 1291 erbauen liessen. Der Bau des Schlosses dauerte vierzig Jahre und hatte die Aufgabe, Bulle gegen die Ansprüche der Grafen von Gruyères und der Vasallen von Savoyen in Châtel-Saint Denis und Romont zu verteidigen. Auf Informationstafeln war ersichtlich, dass es heute der Bezirksverwaltung, dem Gericht und der Gendarmerie dient. Einige fragten sich, ob die sich unter dem Dach befindlichen, dem Innenhof zugewandten Zellen noch benützt werden. Wohl eher nicht, zu unmenschlich wäre es gewesen, aus den vergitterten Fenstern der heissen Zellen der Männerschar im schattigen, kühlen Innenhof zuzusehen...

Nach dem Apéro ging's durchs Städtchen zu einem feinen Nachtessen in einem gemütlichen Restaurant mitten in Bulle. Das herrlich mundete Mahl wurde halbstündlich durch ein riesiges, selbstspielendes Orchester begleitet. Faszinierend die Technik mit der gespickten Walze, welche die Instrumente im rückwärtigen, unsichtbaren Teil steuerte. Nach dem Essen teilte sich die Männerschar in zwei, drei Gruppen auf, um im Freien, in der angenehm kühlen Nachtluft, noch den einen oder anderen Schlummerbecher zu geniessen.

Am nächsten Morgen, nach einem stärkenden Morgenessen und dem Verstauen des Gepäcks im Car traf man sich um 08:45 Uhr zur Weiterfahrt. Es waren keine übermüdeten Radler auszumachen und ebenso klagte keiner über eine zu kurze Nacht. Entweder war man gestern zu müde oder man hatte doch einigen Respekt vor der heutigen Etappe, welche in die sonnigen, wohl auch heissen Rebberge des Lavaux mit ihrem ständigen Auf und Ab führen sollte.

Bei sonnigem Wetter und noch angenehmer Temperatur fuhren wir auf verkehrsfreien, herrlichen Velo-Wegen von Bulle in Richtung Süden nach Châtel-St-Denis. Köbi achtete sehr darauf, dass alle genug tranken und hielt beinahe bei jedem Brunnen an. Selbstverständlich benützte man auch beim Kaffeehalt die Gelegenheit, um die leeren Bidons wieder aufzufüllen, erreichte die Temperatur nun doch mindestens wieder die 30o Grenze.
Schon bald ging's weiter in Richtung Genfersee, welcher noch einiger Zeit von oben weit unten sichtbar wurde. Ja und dann ging's steil bergab in Richtung Corsier-sur-Vevey, vorbei am 2016 eröffnetem Museum über Charlie Chaplin. In dieser prächtigen Villa mit grosszügigem Garten und grandioser Aussicht auf den Genfersee lebte der Künstler von 1952 bis zu seinem Tod im Jahre 1977.

Am Ufer des Genfersees angekommen bahnten wir uns mit den Velos einen Weg durch die vielen Spaziergänger, Touristen und wohl auch Einwohner von Vevey bis wir an der Strandpromenade wieder Charlie Chaplin begegneten. Die Bronzestatue des Melonenträgers mit Stock war auch bei uns ein beliebtes Fotosujet.
Es war mehr als verständlich, dass Köbi an dieser Lage kein Lokal für das Mittagessen gefunden hatte und so fuhren wir wieder ein Stück in die Innenstadt, wo wir auf der Terrasse eines einfachen Lokals mit herrlichen Spaghetti Bolognese bewirtet wurden. Der Kampf um die Sonnenschirme war kurz und leider gab es zwei oder drei Verlierer, welcher der starken Sonneneinstrahlung mit stoischem Fatalismus trotzten.

Alle wussten vor der Wegfahrt, dass es nach der Talfahrt vom Vormittag nun wieder aufwärts in Richtung Weinberge des Lavaux ging. Mit vollen Bidons, strahlendem Sonnenschein und heissen Temperaturen ging's hinauf in Richtung Corsier und von dort in die Weinberge von St. Staphorin, Chexbres, Epesses und Grandvaux nach Aran. Obschon die Sonne glücklicherweise nur noch durch eine Wolkendecke schien, mussten doch einige bei gewissen Passagen die Velos die steile, betonierte Weinstrasse hinauf stossen.
Da Köbi noch nach zwei mit dem Bus hinaufgefahrenen Kameraden Ausschau halten musste, führte uns der bestens qualifizierte Xavi den letzten Kilometer nach Aran. Kurz vor der Ortschaft ging es bergab und Xavi dürfte wohl die temporeiche Abfahrt so genossen haben, dass er plötzlich die Weinschenke in seinem Rücken spürte und plötzlich sahen wir sein Haltezeichen. Es galt nun die paar vernichteten Höhenmeter wieder hinaufzustrampeln, was der guten Laune bei der Ankunft im Weingut keinen Abbruch tat. Hier hatte Köbi bei Verwandten von Othmar Hug für uns eine Weindegustation inmitten des Lauvaux organisiert. Was für eine tolle Idee!

Bei (noch) angenehmer Temperatur und kräftigem Rückenwind fuhren die Gümmeler Richtung Genfersee. In Oron-le-Châtel wurde etwas Koffein nachgeladen und bald, aber viel zu früh erreichten sie das Restaurant für den geplanten Mittagshalt. Da es aber wegen Betriebsferien geschlossen war, wurde durch wunderschöne Landschaft bis nach Corsier weiter gerast. Obwohl frisch gestärkt, wurde durch die Rebberge des Lavaux das Tempo gedrosselt, einerseits wegen der Hitze und auch weil Genuss angesagt war: die feinen Weine mussten doch probiert werden! Im Schatten ein kühler Epesses ‚Clos du Boux‘ und zwei Dörfer später musste noch eine Flasche ‚Etoile de Grandvaux‘ dranglauben... und die Strapazen der gefahrenen 60km/980Hm waren vergessen! Nahtlos schloss sich dann die von Köbi organisierte Weindegustation dem Tageswerk an.

Der Halt in Aran war wohl als Weindegustation gedacht, doch floss der feine Blauburgunder in verschiedener Ausfertigung und verschiedenen Farben nicht zu knapp die durstigen Kehlen hinunter. Zum Glück gab's da ja auch noch Mineralwasser. Nicht zuletzt dank unseren sechs Gästen vermochte Köbi auch noch die Fleisch- und Käseplatten zu berappen. Auch die Ankündigung von Köbi, dass die Velos nicht im nahe befindlichen Lutry in den Anhänger des Cars geladen werden können, sondern im 8 km entfernten Ouchy in Lausanne, vermochte die tolle Stimmung nicht zu trüben.

Alles hat ein Ende und so galt es bald einmal, die Velos zu besteigen und die letzten Meter hinunter nach Lutry zu rollen und von dort der Hauptstrasse entlang nach Lausanne-Ouchy, wo uns der Chauffeur bereits erwartete.

Schnell waren die Velos eingeladen, die Kleider gewechselt und schon fuhren wir von Lausanne alles auf der Autobahn in Richtung Bülach. Das eingangs erwähnte Bierchen mundete herrlich und bald wurde es ruhig, sehr ruhig im Car. Einzig die WC-Türe war gelegentlich zu hören…..

Mit einer halben Stunde Rückstand auf die Marschtabelle trafen wir um 2045 Uhr in Bülach ein.

Ein grosses Dankeschön an Köbi für den grossen Aufwand, den er für das Organisieren dieser mit Höhepunkten gespickten Reise geleistet hat. Dank auch an Raini für das intensive Rekognoszieren der Route und das Führen seiner Gümmeler. Im Dank schliesse ich auch Xavi ein, der es nicht immer einfach hatte, bei den 14 Tourenfahrer immer der letzte zu sein. Fotos dazu sind im Fotoarchiv.

Text: Hans Schenk, Raini Wuhrmann (kursiv)