Veloferien 2018 in Gatteo a Mare

vom 28.4. – 5.5.2018

Da warteten sie wieder, die Gümeler, Biker und ein E-Biker, abends um 22.00 Uhr, auf den Bus, der sie wie im vergangenen Jahr nach Gatteo a Mare, Italien, führte. In Brunnen stiegen noch zwei Innerschweizer Kameraden zu. Jeder hatte 2 Sitzplätze zur Verfügung, die unter-schiedliche, originelle oder auch unbequeme Schlafstellungen erlaubten. Die nächtliche Ver-pflegung fehlte auch dieses Mal nicht. Bäcker Hampi, Metzger Jürg und MR-Neuwinzer Raini servierten noch vor dem Gotthardtunnel Schinkenbrötli und Wein.

Bereits um 07.00 Uhr traf der Bus mit den Velos bei Sonnenschein und blauem Himmel vor dem Hotel Capitol ein. Das Frühstück wartete bereits auf die 19 sportlichen Mannen, zu de-nen zwei Neulinge gehörten. Bis zum Zimmerbezug gab es noch die Möglichkeit, am Strand-café einen Schluck zu genehmigen und sich am offenen Meer zu freuen. Bald hiess es, auf den Sattel los, der Prolog wartete. Wie immer teilten sich die 19 Kameraden in drei Stärke-klassen auf, nämlich in die Gruppen Primo, Secondo und Cappuccino. Alle hofften natürlich auf eine unfallfreie Woche und schönes Wetter, aber bereits nach einigen Kilometern hatte ein Kamerad in einem Rondell unerwünschten Kontakt mit einem PW. Es kam zum Sturz, der gottlob nur zu Schürfwunden führte und ohne Folgen blieb. Es war ein Fingerzeig für alle, der zur Vorsicht mahnte. Der übliche Apéro vor dem immer vielseitigen und guten Abendes-sen blieb ein beliebtes Ritual, um Erlebnisse und erste Sprüche auszutauschen. Einige wa-ren enttäuscht, die beliebte Bedienung und Barmaid, Giovanna, infolge Stellenwechsel nicht mehr mit Bacio, begrüssen zu dürfen. Das gesamte Personal des Hotels strahlte Freundlich-keit aus, so dass man sich immer wohl fühlen konnte. Am folgenden Tag öffnete sich uns eine wunderschöne Frühlingswelt in der üppigen Wachstumsphase. Jede Frucht, jeder Baum, jede Pflanze oder Blume zeigte sich im schönsten Kleid. Gruppo Primo erwischte ei-nen kurzen und intensiven Sprutz von oben, die warme Sonne und der Fahrwind trocknete aber schnell ab. Das gab am Abend Anlass für unsere Wetterpropheten zu verschiedenen Prognosen, ob von Bucheli, Kachelmann oder aus anderen Kanälen. Aber das Wetter geht eigene Wege und das ist gut so.

Zwischen den 3 Gruppen machte sich ein kleiner Wettbewerb bemerkbar. Die Stärksten massen sich darin, wer die grössten Steigungen mit welcher Übersetzung bewältigen könne oder wer, wie Tom Lüthi, in die Kurven liegen kann. Gruppo Secondo haderte etwas mit der Rolle der Zweitklassigkeit, obwohl die Nummer zwei nichts zu tun hat mit der Klasse, sie zeichnete sich auch mit Qualität und vielen gefahrenen Kilometern aus. Die Cappuccino spulte ebenso respektable Kilometer ab und konnte intensiver die wunderbare Landschaft geniessen oder die historischen Städtchen und Dörfer mit ihren Menschen betrachten. Bei der Beobachtung der vielfältigen Pflanzenkultur gab es Diskussionen, ob es sich bei dieser oder jener Pflanze um Fenchel- oder Rueblikraut, Kohl- oder Artischocke handelt. Viel schwieriger war es, zwischen einem Aprikosen- und Pfirsichbaum zu unterscheiden.

Dass die Kameraden nicht jünger werden, äusserte sich in Kleinigkeiten, etwa als ein Kame-rad seine Handschuhe suchte, obwohl der diese an den Händen hatte. Ein anderer suchte während des Abendessens seinen beladenen Essteller, den er vorher ganz in seiner Nähe deponiert hatte. Ein Newcomer verlor den Bidonhalter an seinem Velo; einfach nachlässig montiert!

Die digitale Technologie hat auch die Velo Welt eingeholt. Gruppo Secondo besass den vermeintlichen Vorteil, Geri mit einem High-Tech Velo in ihren Reihen zu haben. Aber trotz aller Versuche funktionierten der Tacho und die Trittfrequenz nicht, trotz oder wegen mo-dernster Bluetooth Datenverbindung. So mussten seine Kameraden mit dem alten System aushelfen. Primo machte ähnliche Erfahrungen. Die vorgegebene Topographie war manch-mal mit dem mangelhaften Orientierungssinn und den modernen digitalen Geräten nicht kompatibel. Der Jüngste und der Newcomer diktierten, wie man hören konnte, das Tempo bei den Primos. Es gab auch in dieser Gruppe einen kleinen Zwischenfall der angeblich aus Unachtsamkeit zu einer Schnittwunde am Wadenbein führte. Der Kamerad tröstete sich da-mit, das verlorene Blut wieder mit Rotwein auffüllen zu können. Ein Kamerad der Cappucci-no verfügte über ein GPS am E-Bike. Dieses zeigte den Weg in der Regel präzis an, aber die Strassenführung wich in Einzelfällen auch von den technischen Vorgaben ab, was zu Dis-kussionen führte. Manchmal muss man halt den Wasserlauf beobachten und das Bauchge-fühl sprechen lassen. Die Gruppen begegneten sich während ihren Touren eher selten, ein-mal zufälligerweise beim gemeinsamen Wasserlösen im Gebüsch. Die Natur freute sich darüber, wieder etwas zurück zu erhalten.

Die Cappuccino besuchten die Stadt Rimini. Der teilweise nicht gepflasterte Pfad führte sie vorbei an grossflächigen Gemüsekulturen und einer abwechslungsreichen Flusslandschaft vor der Stadt. In Rimini marschierte die Gruppe ehrfürchtig über die 2000 Jahre alte Brücke, die von den Römern zu Ehren ihres Kaisers Tiberius gebaut wurde. Dieser war der Stiefsohn des Kaisers Augustus, dem der sehenswerte Triumphbogen entlang der Stadtmauer gewid-met ist. Es war die Zeit, als Jesus geboren und gekreuzigt wurde.

Am abendlichen Apéro nahmen immer alle teil, eine fröhliche Runde mit vielen Sprüchen und Anekdoten. Der Schreibende besuchte den parruchiere, da stand an der Eingangstür „Unisex“, er dachte, das will ich ja nicht, liess sich aber doch die Haare schneiden. Das Re-sultat, zum halben Preis gegenüber Zuhause, war akzeptabel, dennoch erlaubte sich ein Kamerad lakonisch zu fragen, welchen Beruf dieser Friseur wohl gelernt haben könnte. Schönheit ist Geschmacksache und mit wenigen Haaren kann man nicht so viele Fehler ma-chen. Die Gruppo Primo brüstete sich einmal über die gefahrenen Steigungsprozente, von überhängend war nicht die Rede, aber sie haben die Prozente vielleicht mit dem Glasinhalt verwechselt. Sie meinten, dass mit der Energie ihres Muskeleinsatzes eine ganze Familie mit Strom versorgt werden könnte. Ein interessanter und dankbarer Gesprächspartner war unser Kamerad, der mit seiner Frau in Barcelona wohnt. Der ausgewanderte Bülemer erzähl-te halb zornig, halb lustig über die Vorgänge in dieser Stadt. Er schilderte kenntnisreich die Ursachen, die Situation und die politische Lage im Zusammenhang mit den Autonomiebes-trebungen in Katalonien. Als ehemaliger Klosterschüler vermisste man manchmal in seinem Urteil den klösterlichen Geist. Aber er bleibt unser Katalani! und Kamerad.

Die Wetterlage war sehr unterschiedlich, aber insgesamt herrschten gute Bedingungen. Im-merhin konnte an sechs Tagen gefahren werden. An den ersten drei Tagen war es sonnig und warm, in höheren Lagen gab es ein erhöhtes Gewitterrisiko. Die Temperaturen waren angenehm, Regen und Wind gehören dazu. Unsere Wetterpropheten prognostizierten ab Mitte der Woche trübes und nasses Wetter und es kam so. Der Regentag kam allen entge-gen. Nur ein Neuling wagte eine kleine Tour, er kam bespritzt und nach einem kurzen Bo-denfeger Intermezzo zurück. Die Strassenverhältnisse erlebten die Fahrer als teilweise bedenklich bzw. nahezu gefährlich. Phasenweise neuer Belag wechselte ab mit Löchern und Unebenheiten. Den zuständigen Gemeinden reichen offenbar die jährlich zugeteilten Finan-zen nur für kurze Streckenabschnitte aus. Auf diese Weise wird es Jahrzehnte dauern, bis alle Strassen saniert sind und dannzumal können die Sanierer wieder von vorne beginnen.

Was machen 19 Männer an einem solchen Tag ohne Sattel? Einige besuchten den riesigen Einkaufstempel, um etwas nach Hause zu bringen. Wie zu hören war, wartet der letztjährige Salami bei einzelnen immer noch auf den ersten Biss. Einige Jogger liessen es nicht neh-men, sich ohne Velo zu bewegen. Andere besuchten die Sauna oder liessen sich massieren. Wieder andere freuten sich an einem frischen Aperol-Spritz. Der jüngste übte gekonnt mit dem Drachenflieger. Nur ein Wagemutiger warf sich ins kalte Meerwasser, die Angst, dass alles kleiner werde, war bei den anderen stärker als der Mut. Sensationell waren die Zuga-ben beim Apéro oder in einer anderen Beiz. Unglaublich was da an Beilagen auf den Tisch kam. Das ist eben Italien!

Am letzten Tag konnten fast alle noch ihre letzten Kilometer abstrampeln. Für die Secondo wagten noch zwei Kameraden auf die Strasse. Sie erreichten unser Hotel „verwindet“ und „verseicht“ aber zufrieden. Nach dem Verladen der Velos und des Nachtessens zeigte die Richtung wieder nach Büli. Unterwegs, in einer Autobahnraststätte, gab es noch ein komi-sches Intermezzo. Eine Vertreterin der Raststätte kam zu unserer Gruppe und suchte nach einem Rainer W. Unser Raini, etwas überrascht, folgte ihr ins Büro. Die Frau wollte ihm ein Couvert mit viel Geld übergeben. Als er sich vorstellte, stand der Irrtum sofort fest. Der wah-re Empfänger der gedachten „Million“ hiess eben nicht Rainer W. sondern Rainer B. und war Chauffeur eines anderen Buses. Ein grosses Gelächter war die Folge! War da etwa eine mafiose Geldübergabe um Mitternacht geplant? „Mer wei nid grüble“, jedenfalls wollte unser Raini den „Chlotz“ nicht.

Die Verbundenheit mit der Natur, die sportliche Ertüchtigung, verbunden mit dem grossarti-gen Kameradschaftsgeist, machen auch diese Velowoche zu einem bleibenden Erlebnis. Besonderen Dank an Kari, der diese Veloreisen seit 23 Jahren hervorragend organisierte. Seine Ansage, bis zum Jubiläum 25 Jahre Veloferien weiter zu machen, erfüllte alle mit grosser Freude. Dank gilt auch allen Gruppenleitern für die umsichtige Führung ihrer Grup-pe. Dank auch allen Beteiligten, für den harmonischen und freundschaftlichen Umgang un-tereinander, was zur guten Stimmung beitrug.

Franz Xaver Huber

Fotos siehe Fotoarchiv