Riegenreise 2014

Es ist der 30. August und Samstagmorgen. 41 Männerriegler sind bereit, das von Otti Grimm und Ewald Spandel vorbereitete Reise-Programm in die Tat umzusetzen. Die Zugs-Reise beginnt problemlos. Jedenfalls bis zur Kontrolle kurz nach Zürich. Ein Kamerad stellt verblüfft fest, dass ihm anstatt das Halbtax-Abo die Zürcher Netzkarte ins Portemonnaie geraten ist. Der Kontrolleur will aber diesen Ausweis nicht gelten lassen. Kontrollmarke hin oder her. Er verlangt fünf Stutz. So blöd!

Dessen ungeachtet reisen wir heiter weiter. Die garstigen Wolken am Osthimmel können unseren Frohsinn nicht trüben. In den Abteilen wird rege diskutiert, es werden brisante Aktualitäten ausgetauscht: Unser Hof-Fotograf sei kürzlich Grossvater geworden, wird u.a. berichtet. „Ja, das stimmt“ nickt der und fügt lachend bei: „Und jetzt bin ich auch massiv älter geworden.“ Im Abteil nebenan gelingt es einer mitreisenden (oder mitreissenden?) jungen Frau, die sich als Jägerin entpuppt, unsere Kollegen neugierig und etwas unruhig zu machen.

In Klosters wechseln wir das Transportmittel und lassen uns auf den Gotschnagrat gondeln. Im nahen Restaurant erwarten uns nämlich nicht nur knusprige Gipfeli und Kaffee sondern auch freundliche Serviertöchter. Natürlich finden jetzt nur sie und ihre Panoramen Beachtung. Schwarz- und Weisshorn sind nämlich hinter Wolken und im Moment klar im zweiten Rang. Weggeblasene Nebelfetzen geben dann aber doch hin und wieder Klarsicht ins Flüela-, Dischma- oder Sertigtal. Auch Davos liegt gegen Mittag im Sonnenschein. Davoser-See und Wolfgang werden nur zum Teil sichtbar. Unser Kamerad Wolfgang aber, der nicht nur München und das Appenzellerland gut kennt sondern neuerdings auch viele seltene Vögel, ist in seiner ganze Grösse sichtbar und freut sich, mit der qualifizierten Gruppe Gemschi auf dem Panoramaweg via Parsennhütte zum Strelapass wandern zu können. Auf diesem Pfad, nicht gerade kinderwagentauglich, weil glitschig und nass, zeichnet sich ab, wer punkto Kondition die Nase vorne hat. Auf welch seltsamen Pfaden die „Steiböck“ klettern, weiss niemand genau. Nur so viel: Einer der Wilden verirrt sich plötzlich in ein Gasthaus. Da ist er aber - zum Glück - weder eingesperrt noch zu Wildbret verarbeitet worden! Die drei etwas lädierten „Munggen“ verkraften ihren kuhfladenfreien Weg auf die Schatzalp problemlos, ja sogar ohne Warnpfiffe. Ernsts Witze sollen jedoch in den Bähnlis Lachsalven und Erschütterungen ausgelöst haben.

Im rustikalen Bergrestaurant „Strelapass“ bestellen die Gemschi Älplermakronen und Chässchnitte. Bier und andere Getränke sind am Büffet sofort zu haben. Beim langen Warten auf das Essen findet ein Kamerad plötzlich Gefallen an einem uralten Schischuh, der über seiner Nase baumelt. Vor allem dessen knallrote Bändel wecken sein Interesse enorm. Ich glaube, dass ich diese Bändel später an einem anderen Schuh wieder gesehen habe. Kann das sein? Kurz vor dem Abmarsch ins Tal kommt ein spendabler Kollege mit sechs Gläschen Davoser Röteli an unseren Tisch. Eine perfekte Überraschung! Vielen Dank Alfredo!

Während wir das gastliche Lokal hinter uns lassen, bleibt die Sonnenterrasse weiterhin im Nebel. Auf der nahen Weide können wir recht amüsiert beobachten, wie drei brandschwarze Rinder daran sind, ihre Verwicklung in ein Elektro-Kabel loszuwerden. Schonungslos geht es für uns nun aber achthundert Höhenmeter tief hinab zur Schatzalp, wo unsere Rotwild-Kollegen auf der Terrasse gemütlich ein Sonnenbad nehmen und unsere Ankunft begutachten. Sie schauen uns an als kämen wir direkt vom Mond! Kaum hat der letzte Wandervogel Platz genommen, schlängelt sich der geplagte Kellner mit einem schwer beladenen Tablett durch die Runde. Hände gehen hoch und die heiss begehrten überschäumenden Krüge sind sofort weg. Mit markanten Sprüchen geht dieser Schatzalp-Apéro leider bald, also eigentlich viel zu rasch, zu Ende. Vielen Dank, Christoph, für deine edle Spende! Schade, dass du nicht dabei sein konntest. Da es hier, wie gesagt, recht gemütlich ist, wäre man gerne noch ein Weilchen geblieben. Aber die Zeit ist gekommen, den restlichen Abstieg zu Fuss oder mit dem Bähnli zu bewältigen. Denn im Hotel Strela ist das Personal bereits auf den Ansturm der vitalen Mannschaft gefasst. Die Zimmer- und Schlüsselzuteilung klappt prima und es wird rasch ruhig an der Rezeption. Aber oha lätz! Da kommt plötzlich einer wieder zurück und meldet ein veritables Problem. In welcher Höflichkeitsform er der charmanten Dame die Frage gestellt hat, wie er den modernen Schlüssel hineinschieben müsse, bleibe dahingestellt. Jedenfalls muss er dann doch irgendwie in seinen Schlag gekommen sein. Mit welchem Code, und mit oder ohne die hilfsbereite Empfangsdame, hat der Lockvogel trotz Nachfrage nicht verraten. Zurück bleibt auf alle Fälle wieder einmal eine gut inszenierte Episode eines Meisters!

Die nächste Überraschung ist die eindrückliche Führung durch das Wintersport-Museum Davos. Die sachkundige Dame erklärt uns, oft recht schalkhaft, die reichhaltige Sammlung der ausgedienten Wintersportgeräte. Viele Ausstellungsstücke aus den Anfängen des Wintersports bis hin zur Gegenwart wecken gut erhaltene Jugend-Erinnerungen. Mit dieser, dank seiner Pensionierung gespendeten, überraschenden Programm-Zugabe inklusive Apéro, hat uns Otti zusätzlich viel Spass und Vergnügen bereitet. Bravo und herzlichen Dank!

Beim Nachtessen in „unserem“ Hotel findet zuerst ein reichhaltiges Salatbuffet lebhaftes Interesse. Aber klar, das ganze Menü ist gut ausgewählt. Es muss nach den Tages „Strapazen“ keiner hungrig vom Tisch. Entgegen der Meinung unseres Papa Veterano trinken wir an unserem Tisch keinen Fusel, wie er meint. Nein, wir kosten den edlen Tropfen Malanser mit viel Feingefühl - und übrigens ohne die vom Spötter seit den Mallorca Veloferien immer wieder zelebrierten Riesen-Kelche!

Während später „ein dreckiges Dutzend“ kampflos und gepflegt in der Stadt nach einer passenden Bar oder Beiz sucht, setzen sich im Hotel vier an den Jass-Tisch und spielen so lange Schieber bis schwarzer Rauch aufsteigt. Andere finden - das ist ganz klar - Spass an der Hotelbar. Vor allem wohl mehr an der Barmaid, die um ihren Feierabend bangt. Als die Stadtbummler endlich ein Lokal mit hohen Bar-Stühlen an einer langen Theke finden, sind Gespräche unter anderem wegen der Hintergrund-Musik schlicht nur mit Hörgeräten fassbar. Als der junge Winkler Weihnachtstannen-Züchter neben mir die lange Theke als Curlingbahn testet, indem er eine Stange Bier mit viel Schub erfolgreich über fünf Meter zum Kollegen am anderen Ende schubst, ist die Bahn frei für weiteren Schabernack.

Zurück an der Hotelbar müssen die Stadt-Bummler auch hier sehr laute Töne erdulden. Die Barmaid tut mir leid. Welcher Verrückte bestellt denn nun schon wieder acht halbe Biere, höre und sehe ich sie erschöpft fragen. Die ganzen würden zu rasch warm, „mööget“ der Besteller in voller Lautstärke zurück. So dass der gestressten Bar-Dame für einen Moment Hören und Sehen vergeht. Aber es folgen gleich weitere Sprüche. Ob die AHV eines Neu-Rentners zu später Stunde doch noch verjubelt (versoffen) wurde, wie von einem jungen Kameraden angedroht, ist nicht auszumachen. J

Am anderen Morgen ist es still am „gluschtigen“ Buffet und den Frühstückstischen. Richtig Schwung kommt erst auf, als Otti bekanntgibt, wer, wann, wo und auf welcher Strecke den Bus Richtung Rhinerhorn benützen soll. Während die wilden „Gemschi“ ab Frauenkirch neuerdings ein grosses und teilweise sehr steiles Stück Bergweg verkraften, können die Steiböck und Mungge ab Davos Glaris mit der Gondelbahn das Bergrestaurant Rinerhorn-Jazmeder mühelos erreichen!

Als die Mungge vom Gondel-Bähnli her im Anmarsch sind, ergreifen die Steiböck gerade die „Flucht“ und bewegen sich über Stock und Stein Richtung Monstein. Die Fernsicht ist jetzt deutlich besser. Aber die teils exponierten Stellen auf dem imposanten Bergweg erlauben kein langes Hinsehen auf die gegenüberliegende Talseite. Darum tut ein kurzer Halt auf der Haudere-Alp gut und gibt frischen Mut. Der enorm steile Abstieg nach Monstein soll einigen Kameraden arg in die Knie gefahren sein.

Die seit gestern etwas grösser gewordene Mungge-Gruppe hat heute ein leichtes Spiel. Ihre Fusswege sind enorm kurz. Nach dem Mittagsessen im Bergrestaurant Rinerhorn-Jazmeder nehmen sie gemütlich die Gondel nach Glaris hinunter und anschliessend ganz entspannt das Postauto hinauf nach Monstein.

Viel Vergnügen und Geselligkeit bereitet uns jetzt die Bier-Degustation an der Bar der exklusiven Bierbrauerei. Auch hier werden wir wieder von einer humorvollen, fachkundigen Frau durch die Anlagen geführt. Sehr unterhaltsam schildert sie uns die Prozesse, die nötig sind, bis der Gerstensaft schmackhaft und süffig ist. Nach wie vor stellt sich die Frage, ob Franz dem Geheimnis der weiblichen Hormone im ober- oder untergärigen Bier endlich auf die Spur gekommen ist!

Kaum ist der Brauerei-Rundgang der Steiböck und Mungge fertig, drängen die durstigen Gemschi zur Bier-Bar. Das ist den Mungge und Steiböck gerade recht, denn im nahen Restaurant „Ducan“ ist das Personal bereits daran, ein feines Brauer-Plättli aufzutischen. Potz Blitz. Da wird sogleich wacker zugegriffen! Natürlich wäre man auch hier gerne noch geblieben. Aber der Wagen, der uns zum Bahnhof Glaris bringen soll, ist schon unterwegs. Dass Petrus erst jetzt, auf unserem Spurt zur Busstation, noch die Schleusen öffnet, zeigt eindrücklich, mit welcher Raffinesse die Organisatoren dieses Reiseprogramm zusammengestellt haben.

Während wir unten am Bahnhof im Trockenen auf die RhB warten, bringt einer noch statistisch klosomatische Kuriositäten ins ausschweifende Gerede. Es ist darum höchste Zeit, dass der Zug kommt und uns via Filisur und Thusis durch eine fantastische Bergwelt auf einer genialen Bahnstrecke Heim zu führt.

Die abwechslungsreiche und eindrückliche Riegenreise geht am Bahnhof Bülach in geordneten Abschieds-Reihen würdig zu Ende. Sie wird uns ganz bestimmt in guter Erinnerung bleiben. Nochmals vielen Dank den Organisatoren Otti und Ewald!

Hanspeter Ammann